Manchmal traut man seinen Augen nicht. Zum Beispiel dann, wenn ein wildfremder, großer und zauseliger, aber ansonsten durchaus freundlicher, Hund beschließt, dass man ab jetzt seine neue Familie ist. So geschehen vor wenigen Tagen und zwar mir. Es geht um einen Hund, der eigentlich anders heißt, den aber alle unter seinem Spitznamen Paillasson kennen, was zu deutsch Fußmatte bedeutet.
Der Name Paillasson ist so unglaublich zutreffend auf dieses Viech, dass er glatt von mir stammen könnte. Aber von Anfang an.
Eines sonnigen Frühlingsvormittages (was ob des diesjährigen Mistwetters an sich schon eine Erwähnung wert wäre) erwartete mich nach der Rückkehr vom Einkaufen die Frage, ob ich einen großen, weißen Hund kennen würde. Und in dem Moment kam er auch direkt um die Ecke.
Ja, in der Tat, den kenne ich. Und nicht nur ich, den kennt wirklich fast jeder hier in der Gegend, denn Paillasson – oder Blanchot, wie sein richtiger Name angeblich ist – ist viel unterwegs und schließt gern Freundschaften. Ich bin seit vielen Jahren in der Gegend und bin selbst schon oft auf dieses unglaubliche Tier getroffen.
Paillasson ist ein Jagdhund
Manchmal ist er sehr beschäftigt, und läuft an einem vorbei, ohne auch nur aufzusehen. Manchmal kommt er freudestrahlend und schwanzwedelnd auf einen zu, vorzugsweise auf Spaziergängen und Wanderungen, und begleitet einen für den Rest der Tour. Er ist immer allein unterwegs und hat einen geschätzten Aktionsradius von 5 bis 10 Kilometern um sein Zuhause herum.
Ich hatte Paillasson für eine wilde Promenadenmischung gehalten, weil er immer recht – nun ja – zerzottelt daher kommt. Aber weit gefehlt, es handelt sich um eine Jagdhund-Rasse namens Briquet Griffon vendéen, sinngemäß Pinscher aus der Vendée. Laut einschlägiger Literatur ist diese Rasse üblicherweise mittelgroß. Paillasson allerdings ist eher ziemlich groß.
Mit seiner Körpergröße und seiner etwas heruntergekommenen Erscheinungsbild hat er sicher schon manchem Touristen einen ordentlichen Schrecken eingejagt.
Neulich jedenfalls kam er offensichtlich in mein Dörfchen und beschloss, dass mein Garten doch ein feiner Ort zum Bleiben sei. Genau genommen hätte es ihm wohl drin auch zugesagt, aber trotz seiner Drahtigkeit passte er nicht durch die Katzenklappe. Kater Calli stand auf der anderen Seite und war überhaupt kein bisschen amused über das vermeintliche neue Familienmitglied.
Paillasson fühlt sich wohl
Immer, wenn ich dachte, nun ist er aber weitergezogen, tauchte das riesige Tier wieder auf, freute sich und legte sich – Fußmatte (!) – auf meine Eingangsstufen. Die Farbe kommt auch hin. Das zog sich über viele Stunden hin. Ich habe tunlichst vermieden, Paillasson zu streicheln oder ihm gar etwas zu fressen zu geben. Dann wäre er womöglich ganz hier eingezogen. Kurz versucht war ich schon, aber ich bin ausgelastet und hätte höchsten noch Platz für einen Chihuahua.
Als es dämmerte und die Temperaturen in den Bereich unter Null drifteten, machte ich sogar einen Aufruf in zwei lokalen Facebook-Gruppen. Jede Menge Resonanz vom Stil “letztes Jahr hat er mich auf einer Wanderung begleitet” und “er kommt immer mit, wenn ich radfahre” sowie “bei uns im Dorf ist er regelmäßig” und “mach dir keine Gedanken, irgendwann haut er von alleine ab“. Man kann Paillasson ohne Übertreibung als lokale Berühmtheit gelten lassen. Vielleicht der bekannteste Einwohner der ganzen Gegend.
Irgendwann, als es schon fast dunkel war, habe ich ihn tatsächlich nicht mehr gesehen. Am nächsten Tag kam er mir auf der Straße entgegen, im Schlepptau eines Touristenpaares mit Terrier.
Ach, Paillasson, komm doch bald mal wieder rum.
Bonne soirée,
Claudia